Von lachenden Buddhas, von weinenden Wolken, von grinsenden Affen und einem Land voller Zauber…
Ein Bericht unserer Reise nach Thailand.
Ein Moloch des Chaos, wie Metastasen durchsetzt von grenzenloser, atemraubender Schönheit. Hier die dreckige Straße, dort das spirituelle Kleinod. Wir laufen durch eine Stadt der Versuchungen. Menschen winken und lächeln. Die Luft riecht süß und schwer. Die Leute hasten von Termin zu Termin und nehmen sich doch Zeit, genießen den Schatten, den mit gezuckerter Milch gesüßten Pulverkaffee. Die kulinarischen Höhepunkte finden wir nicht in den großen Restaurants, wo die Briten, die Deutschen, die Russen, weißen Südafrikaner und Israeli sich eng an eng drücken und ihr kontinentales, überteuertes Essen reinschaufeln. Wir finden es in den Seitengassen, wo runzlige Omas und Opas dem Wok das Feuer geben und Curry in Tüten abfüllen. Hier läuft keine Musik aus den Charts und die Stühle sind aus Plastik, die Dächer aus Wellblech und Planen. Und doch explodieren diese Gassen vor Leben und Dankbarkeit. Katzen, Hunde und Kakerlaken, Müll und Schrott gehören genauso zum Alltäglichen wie der Bankier und die uniformierte Beamtin, die sich hier für wenig Geld ihr scharfes Essen besorgen. Es dampft, köchelt und brutzelt an allen Ecken und wir wandeln durch Wohn- und Schlafzimmer. Dampfender Reis, Curry mit allerlei Gemüse, Chicken, Pork, Schrimps, Knoblauch-Fischkopfsuppen und gekochte Eier, Fleisch auf Sticks, scharf mariniert, dunkel gegrillt, süße Reiskuchen und allerlei undefinierbare Mixturen aus Chili und Gewürzen.
Und über allem thront der erleuchtete Erhabene, gekleidet in Rot und Gold. Kein blutender, leidender Christ sondern ein dicker, lachender, lauter, das Schöne des Lebens feiernder Glaube, dessen Glocken, dessen Gongs und in kupferne Schalen fallende Münzen weit über die laute Stadt hallen und die allgegenwärtigen kleinen Altare an den Straßenecken und in den Gassen und Hinterhöfen mit guter, freundlicher Energie versorgen. Lediglich jene vielen Menschen stören das Bild der spirituellen Harmonie, welche all das als bloße Kulisse für grinsende, platte Selfies missbrauchen. Dann, gleich den Wegen gen Rom, treffen sich hier alle im Royalen Palast. Hier drängeln sich alle Menschen, Thais und Touristen gleichermaßen, und staunen ob der prachtvollen Verschwendung von chinesischem Porzellan, Purpur, Gold, Edelsteinen und Smaragdbuddhen, Intarsien aus Perlmut und edelstem Teakholz. Überall offene Münder und klickende Kameras. Wie Giraffenhälse recken sich die langen Selfiesticks in die Höhe. Die Menschen posieren und lachen, die Soldaten beschimpfen kleine, dicke Japanerinnen, die ihrer Klickwut nicht mal im Heiligtum Einhalt gebieten, und alle, wirklich alle, empfinden eine Ehrfurcht, die man nur an Orten wie diesen erlebt, wo sich Geschichte anfassen lässt, wo sie riechbar und schmeckbar erscheint.
Über dem Wasser
Kontrastprogramm – wir verlassen die Altstadt, die durch abertausende Touristen ausgetrampelten Pfade und finden uns in bitterer Armut wieder. Ganze aus Treibholz, Müll und Schrott improvisierte Siedlungen mit engen Gassen. Über dem Wasser gebaut, weil dort keine Bodensteuer anfällt, haben sie alles, was man so braucht und doch eben gar nichts. Jeder Nagel wird in verzweifelter Kleinarbeit gerade geklopft, ein neuer kostet mehr als ein Essen. Hier wohnen die Müllsammler und die Straßenkehrerinnen. Und sie lächeln und leben in Würde. Nichts wollen sie einem andrehen. Kein „Tuk Tuk“ oder „Laughing Gas“, sondern offene Augen oder Ignoranz, weil das eigene Leben genügend Last ist. Wir gehen weiter, ehrfürchtig davor soviel zu besitzen und doch so wenig mehr zu sein, vorbei an Krankenhäusern, Baustellen, überfüllten Kreuzungen, Foodmarkets unter Brücken hin zum Tempel der aufgehenden Sonne. Weiter über den Fluss, geführt vom einem spuckenden Fährmann ohne Zähne, zum Tempel des Konsums der Händler. Tonnenweise Zwiebeln, Ingwer, Koreander, Zitronengras und Blumen. Blumen so weit das Auge reicht. Völlig fertig erreichen wir unsere Gefilde, essen scharfes Curry, trinken kaltes Bier, lassen uns von lachenden Thais und Kambotschanern die müden Füsse massieren und lassen den Tag mit krachender Musik, versunken in Menschenmassen, ausklingen. Ein seltsam eindrucksvoller, ambivalenter, ein schöner Tag.
Eine Insel wie aus dem Märchenbuch. Hohe, von wildem Dschungel überwucherte Berge mit einer reichen und lauten Tierwelt. Dazwischen stürzen Wasserfälle und schäumen das Wasser zu wilden Fluten, lecken an den Steinen und lassen die Menschen staunen. Hin zum Wasser findet man eine Vielzahl an kleinen und großen Buchten mit schneeweißem Sand, Kokospalmen und versteckten Bungalows. Wir haben uns im Norden einquartiert. Die Enttäuschung war groß – Phan, der alte, knorrige Besitzer der Bungalows am letzten Eckchen der Insel, gab auf und verkaufte seinen Besitz an einen glatzköpfigen Unsympath aus den USA. Der Inbegriff des Paradies nutzt von nun an nur noch feisten, dicken Amerikanern.
Trotz Sturmböen und dicken Tropfen ist es ein leichtes Leben hier. Das 7-Eleven öffnet 24 Stunden. Die südlichen Villages locken mit einer Vielzahl an Restaurants aller Art und das Beste, der Nachtmarkt, öffnet namensuntypisch schon um zwölf. Hier kann man schlemmen bis zum Umfallen!
Mit dem Moped erkunden wir die Insel, besichtigen goldene, chinesische Tempel mit einem dicken, lachenden Buddha, der die Leiden der Welt gegessen hatte und allen Menschen Glück und Frieden verspricht (wie traurig müssen Christen wohl sein). Und ein Wat der Frauen, die kahlgeschoren und in weißen Ti-cîvaras lachend Schwätzchen halten. Ein goldener Stein, haushoch und mit einem goldenen Buddha gekrönt, ist das Zentrum des Heiligtums, umgeben von wildem Dschungel. Hier zu meditieren muss erfüllend sein. Nicht zuletzt wird ein schweißtreibender Aufstieg mit einem Ausblick erfüllt, den nicht mal die Panoramafunktion der Smartphones erfassen vermag. Natürlich kein Grund nicht auch hier Selfies über Selfies zu schießen und darüber völlig zu vergessen den Augenblick zu genießen, die Augen beim in die Weite blicken zu entspannen und die Geräusche und den Wind in sein Herz zu lassen.
Zu schlecht war das Wetter dann doch und die gefundene Unterkunft zu hart. Also flüchteten wir wieder gen Norden um umzudisponieren.
Ich sitze im Trubel, nippe am süßen Cocktail und beobachte einen Mann, gekleidet in schwarze Jeans, schwarzes Shirt, eine weinrote Schürze mit dem Logo des Besitzers versehen. Auf dem Kopf eine helle Schirmmütze. Sein Blick alterniert von panisch, gelangweilt, verzweifelt hin zu freundlich, offen, verkaufend. Sein Alter? 50 vielleicht. In den Händen ein Schild bedruckt mit Bildern. Bildern von Nudeln. Jedem sieht er hinterher. Jedem fiebert er entgegen. Und zwischendrin fallen die Augen in sich zusammen, verlieren sich in den Träumen und Hoffnungen seiner Jugend. Eine seltsame Traurigkeit macht sich in mir breit.
Und dann sind da zwei Pärchen, eines aus Kanada, wo jetzt minus 17 Grad sind, und eines aus Pakistan. Wir quatschen und trinken und haben eine kleine Weile die Macht über die Musik. Wir erfreuen uns der Leichtigkeit und ich stelle Ihr die Frage aller Fragen und sie bejaht.
Der Ring
Die Insel war Sperrgebiet und liegt einen Katzenwurf vom Festland entfernt. Als das Militär sie freigab kamen die Touristen. Und sie blieben und alles hat sich darauf eingerichtet. Wir fanden eine weitaus weichere Bleibe am nördlichsten Strand. Hier beherrscht ein Luxusresort den weißen Strand. Jedoch quetschen sich coole Bungalows und Bars im Hippiestyle direkt zwischen den Pomp und den Hang. Bunte Hölzer mit allerlei Schnickschnack, chilliger Musik und Chang bis zum Umfallen. Als wir ankommen regnet es in Strömen, doch es folgen warme, sonnige Tage und wir genießen das Nichtstun. Abends stellen die Bars und Restaurants den Strand voll mit Tischen und Stühlen, mit Sitzkissen, Feuerschalen und eisgekühltem Fisch. Auf der Uferstraße stehen die Straßenverkäufer und bieten Fressalien aller Art feil. Wir leihen ein Moped und erkunden die Insel und finden coole Aussichten, Bars gänzlich Jamaika gewidmet, dichten Dschungel, haushohe Bambuswälder und romantische Wasserfälle, in deren Becken jugendliche Chinesen Steintürme bauen.
Und überall sind diese Pärchen zu sehen, immer nach dem Schema „alter westlicher Mann mit junger Thaifrau“. Wo die Liebe hinfällt…doch verwundert es doch sehr keinen einzigen Thaimann mit einer westlichen Frau zu sehen. Woran das wohl liegen mag?
Und Selfies! In allen Varianten:
Man könnte meinen, man müsste beweisen wirklich dort gewesen zu sein. Als würde erst die Ablichtung der eigenen Fratze vor diesem oder jenem eben dieses oder jenes Realität werden lassen.
Thailand bietet einen hervorragend Einstieg in eine Welt des freien Reisens. Es reitet die Welle der Modernisierung wie ein trunkener Surfer. Zwischen Kinderprostitution und Militärjunta, zwischen zutiefst buddhistischem Fatalismus und anbetendem Royalismus zeigt sich ein Volk, dessen Zähne vom verzweifelten Lächeln ausgeblichen sind. Dieses Volk weiß sich nicht zu entscheiden. Soll es seine Geschichte nutzen oder verraten, um den schnellen Euro zu verdienen? Soll es seine Identität verbissen gegen Touristenhorden verteidigen? Eine langsam erwachende Einsicht, dass für den Tourismus zerstörte Natur eben trotzdem zerstörte Natur ist verspricht viele Kleinode verschwinden zu lassen. Der große Massentourismus hat schon lang den Individualtouristen verdrängt. Nur hier und dort zeigt sich noch die Leichtigkeit des schweren Rucksacks.
Thailand eignet sich also für jeden. Jede Art von Leidenschaft kann gestillt werden. Jeder findet, wenn auch dann und wann etwas angestrengt, seine Wohlfühlzone.
Wir kommen sehr gerne zurück…
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