Warum alle Juden böse sein müssen, wenn jeder behauptet, dass alle Juden böse sind.
Wörter sind wie Viren! Ihre Bedeutung pflanzt sich in der Gesellschaft fort und frisst sich in die Gedanken und Gefühle der Menschen. Dies schaffen sie, indem sie, zum Teil entgegen ihrer Bedeutung mit Farben belegt werden, mit Gefühlen und Vorurteilen. Manchmal ist es von jemandem gewollt, manchmal entwickelt es sich einfach so.
Wolfgang Lippert, der Showmaster der DDR schlechthin, berichtete einmal in einem Interview, dass ihm die Nutzung des Wortes „Fleisch“ untersagt worden war. Damit sollten Assoziationen in den Köpfen der Menschen verhindert werden, die sie anstellen wenn sie das Wort „Fleisch“ hören. Der Hintergrund war nämlich, dass es gerade kaum Fleisch zu kaufen gab.
ist faktisch aus dem Lateinischen für Gift, Saft oder Schleim, wird häufig auch genutzt, um die Verbreitung einer Information oder einer Eigenart unter den Menschen zu bezeichnen. So sagt man zum Beispiel, dass die rechte Gesinnung sich wie ein Virus unter den Menschen verbreitet. In der Tat kann das aber auch einen positiven Aspekt haben … also die reine Verbreitung, nicht die rechte Gesinnung.
Erzähle ich zum Beispiel einen lustigen Witz und der Hörer erzählt diesen 20 weiteren Hörern dann verbreitet der Witz sich viral. Oder aber mittels Kettenbrief wird zu einer Spende für eine wahrlich gute Sache aufgerufen, dann verbreitet auch dieser Brief sich viral. Ob eine virale Verbreitung eines Inhaltes also in der Tat negativ oder positiv ist sollte von Fall zu Fall entschieden werden.
Hört man Menschen von einer Sekte sprechen, dann ist meist klar worum es geht, so denkt man. Eine Sekte ist etwas schlechtes, eine Ansammlung von Menschen um einen Guru, die jeden freien Willen verloren haben und früher oder später im Gemeinschaftsgrab landen werden. Tatsächlich stammt das Worte „Sekte“ jedoch vom lateinischen „secta“ ab, was soviel wie „Partei“, „Schule“ (im Sinne von Schulrichtung) oder „Weg“ heißt.
Eine Sekte ist demnach eigentlich nichts anderes als eine Art Abspaltung einer „Hauptrichtung“. Bezeichnen wir den Evangelismus als Sekte, dann ist das korrekt. Denn selbiger spaltete sich vom Katholizismus ab. Das Gleiche gilt für die christliche Religion selbst. Diese spaltete sich schließlich vom Judentum ab. Das Wort „Sekte“ sollte also schon aus diesem Grunde wertneutral und mit Adjektiven (Eigenschaftswörtern) belegt werden.
„Scientology kann als eine gefährliche Sekte angesehen werden.„
Interessant, gesellschaftlich relevant und gefährlich wird es, wenn Behauptungen bzw. Thesen viral wirken. Stellen wie uns einmal vor, wir lebten im 19. Jahrhundert und jemand würde folgende These in die Gruppe werfen:
Masturbation ist schlecht/niederträchtig/gefährlich!
Jeder von uns würde zustimmen und wie wild sofort ein Dutzend Krankheiten aus dem Ärmel zaubern, die durch Masturbation hervorgerufen werden.
Oder wir hätten das Jahr 1939 und sagten in Berlin zu einer Gruppe Deutscher:
Juden sind böse und am Weltenunheil schuld!
Wieder würden alle mit dem Kopf nicken und über die typisch jüdische Hakennase herziehen.
Wir erkennen also, dass bestimmte Aussagen je nach aktuellem gesellschaftlichem Konsens mit einem gewissen Wahrheitsgehalt versehen sind – per se – quasi Dogmen sind. Die Gefahr daraus ergibt sich aus sich selbst, denn Thesen können zwar durch jeden aufgestellt, nicht aber durch jeden gesellschaftlich normiert werden.
Diese gesellschaftliche Normierung, und damit die Bildung von Normen, passiert nur und ausschließlich durch die massenwirksamen Medien. Früher war es das Hörensagen, die Pamphlete und die Inquisition, dann kam die Obrigkeitspropaganda und heute sind es die allgemeinen, „freien“ Medien.
… und was bedeutet es, wenn eine These in der Tat viral ist?
Wenn eine These einen sog. Bewusstseinsinhalt kommuniziert, dann spricht man von einem Mem. Dieses Mem kann dann als eine Art Code betrachtet werden, welcher sich viral durch die Gesellschaft verbreitet. Ob dieses Mem dann jedoch gut oder schlecht ist muss für jedes Mem gesondert herausgefunden werden. Dazu hilft folgender Fragebogen (nach Vera F. Birkenbihl), welchen wir am Beispiel der Masturbation nachvollziehen wollen:
Wir konnten alle vier Fragen mit Ja beantworten. Die These „Masturbation macht krank“ war also damals in der Tat viral!
Das bedeutet, dass diese eine Aussage ein Dogma (aus dem Lateinischen für einen Wahrheitsanspruch, der unumstößlich ist) ist. Dogmen sind immer gefährlich, erst recht, wenn sie von oben nach unten kommuniziert werden.
Heutige Meme (oder halt Wortviren) könnten zum Beispiel sein:
Ich habe mir interessanterweise angewöhnt die Aussagen der Bild und Co. grundsätzlich als gefährliche Meme zu betrachten.
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